Die 6 Diamanten des Lockout/Tagout

Seminar- und Arbeitsbuch zum Erstellen eines Lockout/Tagout-Systems im Unternehmen.

Auszug aus dem Buch „Die 6 Diamanten des Lockout/Tagout“ von René Noël.

Vorwort

Lieber Sicherheitsfreund,

wussten Sie, dass jedes Jahr ca. 100 Menschen im Bereich der Instandhaltung tödlich verunfallen? Und dass sich mehr als 150.000 Menschen in diesem Umfeld schwer verletzen? Aus diesem Grund habe ich mich die letzten zwölf Jahre damit beschäftigt, Systeme zu entwickeln, die in diesem Bereich eine wirksame Prävention darstellen.

Heute halten Sie ein neues Buch zum Thema Lockout/Tagout in den Händen. Es wird Ihnen helfen, ein System in Ihrem Unternehmen aufzubauen und dieses erfolgreich umzusetzen.

In diesem Buch finden Sie die sechs Diamanten des Lockout/Tagout, gepaart mit Beispielen aus der Praxis. Dieses Buch ist ein Arbeitsbuch, also halten Sie Stift und Zettel bereit, um sich Notizen zu machen oder um Stellen zu markieren, die Sie persönlich für wichtig halten.

Quelle: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), dguv.de

Am Anfang als auch am Ende des Buches finden Sie eine Diamantenliste, denn neben den gezeigten sechs Diamanten ist es sehr wahrscheinlich, dass bei Ihnen weitere, neue Diamanten hinzukommen. Nutzen Sie gerne diesen Platz für Ihre eigenen Diamanten!

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

Ihr René Noël

Einleitung

„Gewinner erkennt man am Start, Verlierer auch.“
Inspiriert durch Dieter Lange

Bevor wir so richtig durchstarten, würde ich gerne vom förmlichen „Sie“ auf das im Unterbewusstsein besser reagierende „Du“ wechseln. Bei über 1.000 Unternehmen, die ich in die erfolgreiche Implementation geführt habe, und bei weit über 15.000 Menschen, die an meinen Seminaren oder Trainings teilgenommen haben, war es mir immer wichtig, nahbar zu sein.

Ich bin René Noël – für dich gerne René – und ich kenne die Herausforderungen, vor denen Unternehmen stehen, wenn sie ein neues Sicherheitssystem einführen sollen oder wollen. Im Besonderen gilt das für das Thema Lockout/Tagout, das seinen Ursprung in den USA hat.

In den Vereinigten Staaten ticken die „Safety-Uhren“ anders, doch nicht alles, was dort gut ist, muss hier schlecht sein – und andersherum genauso.

Meiner Erfahrung nach reicht oft der gesunde Menschenverstand, um ein Sicherheitssystem zu einem Erfolgsmodell zu machen.

Aktionismus und Zwang sind selten hilfreiche Begleiter, wenn es darum geht, Menschen für neue Maßnahmen zu begeistern. Deshalb erkennst du meist die Gewinner gleich am Start – die Verlierer aber ebenso.

Oft werde ich gefragt, wie man denn am besten anfängt, wenn es um Lockout/Tagout geht. Ist es richtig, sich zuerst einmal mit Schlössern und anderem Zubehör zu beschäftigen? Sollen wir alle Mitarbeiter informieren, dass wir jetzt Lockout/Tagout einführen?

Meine Antwort darauf ist immer dieselbe: „Es kommt darauf an.“

Neben dem offensichtlichen Fakt, dass es für ein Lockout/Tagout-System entsprechendes Zubehör braucht, existiert im ersten Schritt immer ein „Organisationsloch“. Nur wer seine Abläufe top organisiert und die Kette der Prozesse „sauber“ ausgestaltet, kann LoTo erfolgreich leben.

Auf den nachfolgenden Seiten findest du neben Fakten und Praxisschilderungen immer wieder Aufgaben, die du unbedingt schriftlich machen solltest. Denn mit jeder erledigten Aufgabe entwickelst du das zukünftige LoTo-System für dein Unternehmen!

Kapitel 1: Der WerDiamant

„Die Macht der Gewohnheit ist der härteste Klebstoff der Welt.“
Reinhard K. Sprenger

Vor einigen Jahren habe ich ein Unternehmen aus der Getränkeindustrie beraten. Im Verlaufe der Trainings kamen wir zu der Frage, wer Anlagen und Maschinen ab- und wieder anschalten sollte.

Die Lösung schien nach Auffassung der Beteiligten zunächst einfach: Man betrachtete vor allem die bisherigen Abläufe und dachte darüber nach, wie man diese „ein wenig“ verbessern könnte. Doch schnell wurde klar, dass Gewohnheiten, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten eine viel größere Rolle spielten, als es auf den ersten Blick aussah.

Mit Blick auf die Qualifikation rückte die Anzahl der Personen in den Fokus, die für die Verantwortung des Ab- und Anschaltens von Anlagen und Maschinen infrage kamen. Auf den ersten Blick ergab sich zwar eine gewisse Auswahl, tatsächlich stieg jedoch auch spürbar die Sicherheit, wenn die richtigen Personen benannt wurden.

Einige Personen wurden genannt und notiert. Plötzlich bemerkte ein Teilnehmer, dass er eine gewissen Person zwar wüsste, wie man bestimmte Anlagen und Maschinen anschalten kann, jedoch wäre dieser Mitarbeiter bekannt für seine hohe Sorgfalt – aber der Vorgesetzte wusste nicht, ob die formale Qualifikation ausreichen würde.

Hier kam ein weiterer Faktor ins Spiel: Wenn dem Mitarbeiter anvertraut wird, Anlagen und Maschinen zu schalten, ist das Vertrauen der Kollegen in seine Fähigkeiten genauso wichtig wie seine Qualifikation.

Qualifikation und Vertrauen sind damit zwei zentrale Bausteine des WerDiamanten.

In diesem Kapitel geht es deshalb darum, zu erkennen, wem in deinem Unternehmen diese Verantwortung übertragen werden kann – und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

Aufgabe

Notiere mindestens fünf Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die über die notwendige Qualifikation verfügen, um Anlagen und Maschinen ab- und anzuschalten.

Notiere danach mindestens vier Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, denen du – aus Sicht der Kolleginnen und Kollegen – ein hohes Vertrauen in ihre Arbeit an Anlagen und Maschinen zutrauen würdest.

Vergleiche beide Listen: Wo gibt es Überschneidungen? Welche Namen tauchen in beiden Listen auf? Genau diese Personen sind starke Kandidaten für die Rolle als autorisierte LoTo-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Merkkasten:
Q + V = A
Qualifikation + Vertrauen = Autorisation

Für das nächste Beispiel könnte ich jetzt eine andere Branche wählen – was ich im Verlauf dieses Buches auch machen werde. Eine wichtige Tatsache möchte ich jedoch gleich erklären:

Die Herausforderungen sind in vielen Bereichen der Instandhaltung ähnlich. Viele Jahre der engen Zusammenarbeit mit der Industrie und den betroffenen Anwendern haben mir dies immer wieder bestätigt.

In meinem Seminar „Lockout/Tagout: Mehr als nur ein Schloss“ stelle ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern häufig die Frage, aus welcher Sicht sie ihr zukünftiges Lockout/Tagout-System betrachten. Sehr oft spielt dabei die Rolle, die sie im Unternehmen einnehmen, eine große Bedeutung.

Weitere Aufgabe

Welche Personen oder Abteilungen sind aus deiner Sicht von einer Lockout/Tagout-Maßnahme betroffen? Notiere deine Antwort.

Viele Unternehmen versuchen, den Kreis der Betroffenen klein zu halten, vergessen dabei aber immer wieder, dass Prozesse ineinandergreifen. Instandhaltung, Produktion, Qualitätsmanagement, Fremdfirmen und andere Bereiche können einzeln oder gemeinsam betroffen sein.

Wichtig ist am Ende zu erkennen, dass „Instandhaltung“ nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Instandhaltung bedeutet.

Genau aus diesem Grund ist es bei einem Produktionsmitarbeiter vor vielen Jahren beinahe zu einem tödlichen Unfall gekommen. In dessen Unternehmen wurde Lockout/Tagout nur in der Instandhaltungsabteilung eingeführt. Andere Bereiche waren nicht in die Implementation einbezogen worden.

Bei einem Pumpenwechsel an einer Müllverbrennungsanlage unterstützte ein Produktionsmitarbeiter den Kollegen aus der Instandhaltung. Die Pumpeneinheit hatte ein hohes Gewicht, und beide arbeiteten eng zusammen.

Nachdem beide Kollegen die Einheit entfernt hatten, ging der Produktionsmitarbeiter zu einem anderen Teil der Anlage, um dort ein Werkzeug zu holen. Aus Zeitgründen wurde die Anlage lediglich mit einem Standardschloss, nicht aber mit einem persönlichen Schloss gesichert.

Ein unbeteiligter Kollege schaltete anschließend, ohne es zu wissen, den betroffenen Anlagenteil wieder ein. Nur die schnelle Reaktion des Mitarbeiters aus der Instandhaltung und sein Standort verhinderten Schlimmeres.

Hätte sich der Kollege aus der Produktion selbst gesichert, wäre der Anlagenführer niemals auf die Idee gekommen, diesen Teil der Anlage wieder zuzuschalten.

Daraus lernen wir: Von Lockout/Tagout sind deutlich mehr Menschen und Abteilungen betroffen als nur die „reine“ Instandhaltung.

Abschließende Aufgabe zu diesem Diamanten

Notiere nochmals alle Personenkreise und Abteilungen, die von einer Lockout/Tagout-Maßnahme direkt oder indirekt betroffen sein können. Mit dieser Auflistung legst du einen weiteren wichtigen Schritt für ein erfolgreiches LoTo-System fest.